Bild: Nach zweiwöchigem Marsch stolz am Ziel: Dominic Voss auf der Zugspitze.
Extrem-Trip
Von Robin Klöppel
Im Urlaub fahren viele Deutsche gerne zum Wandern oder Skifahren nach Garmisch-Partenkirchen. Der 30-Jährige ist aber nicht mit dem Auto in die Berge gefahren, sondern ist die 580 Kilometer lange Strecke in zwei Wochen von seinem Heimatdorf aus nach Bayern stramm gewandert. Krönender Abschluss der sehr ungewöhnlichen Tour war der Aufstieg auf den höchsten Berg Deutschlands, die 2962 Meter über dem Meeresspiegel liegende Zugspitze.
In nur acht Stunden bewältigte er die 2300 Meter Höhenunterschied bis zum Gipfelkreuz. Frei habe er sich dort oben gefühlt – und glücklich. Dominic Voss hat vorher nie eine Wanderung dieser Länge absolviert, schon gar nicht mit 16 Kilo schwerem Marschgepäck wie diesmal. Trotzdem schaffte er einen Schnitt von sechseinhalb Kilometern die Stunde und teilweise mehr als 50 Kilometer täglich. An einem Tag mit Temperaturen bis 37 Grad schüttete er dann auch schon mal 15 Liter Flüssigkeit in sich hinein. Den Wasserhaushalt bezeichnete der ledige Bankbetriebswirt als das Wichtigste überhaupt.
Ausdauer und Kraft
Als körperlich fit bezeichnet sich der Sohn des Sängerkreisvorsitzenden Gerhard Voss durchaus. Denn als Fußballer hat er die letzten drei Jahre immerhin für Niedernhausen in der Verbandsliga gespielt, in der neuen Saison wechselt er als Spielertrainer zur SG Dauborn/Neesbach. Und als Spieler auf gutem Amateurniveau absolviert Voss junior eben sehr viel Lauftraining, außerdem geht er häufig ins Fitnessstudio.
Das Bankerleben kann oft stressig sein, und so hat der junge Lindenholzhäuser schon lange mal von einer Auszeit geträumt, aber nie so richtig dafür die Zeit gehabt. Während einer durch einen Sportunfall erzwungenen Zwangspause reifte dann aber der Entschluss, aus dem Hamsterrad herauszukommen, den Schritt aus einem Angestelltenverhältnis bei einer heimischen Sparkasse heraus in die Selbstständigkeit als Coach im Bankwesen zu wagen. Nach dem Ausstieg war bis zum Start der neuen Tätigkeit endlich mal der zeitliche Freiraum, den sich Dominic Voss schon lange ersehnt hatte.
In den Ferien war der Bergfreund schon oft in Bayern gewesen. Weil er noch nicht auf der Zugspitze war, fiel bei ihm nach einem Gespräch darüber mit Freunden die Entscheidung, die Tour von seinem Heimatdorf aus anzugehen. Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“ war sein Vorbild. Allerdings hat Voss sich bewusst nicht den Jakobsweg oder eine andere beliebte Pilgerstrecke ausgewählt, weil er unterwegs allein sein wollte, um wirklich zur inneren Ruhe zu kommen und über sein Leben nachzudenken. Darum ging er auch völlig ohne Begleitung. Der andere Grund dafür war, dass es, so der Wanderer, auch schwer sei, jemand zu finden, der das gleiche flotte Tempo wie er über eine solch lange Distanz halten könne.
Kein Handy
Ihm hat es sehr gut getan, einmal das Handy den ganzen Tag ausgeschaltet zu lassen und nur mit sich alleine zu sein. Nur einmal am Tag hat er sich bei seinen Eltern kurz telefonisch gemeldet, damit die wissen, dass alles in Ordnung ist. Unterwegs gab es keine größeren Probleme, außer dass die Gelenke irgendwann schmerzten. Seinen geplanten Tagesschnitt hat der Limburger aber mehr als erfüllt, so dass er sogar einen Tag früher als vorgesehen das Ziel erreichte. Er hatte sich vor dem Start natürlich die Strecke auf der Karte angesehen, überlegt, in welchen Orten es unterwegs lohnen könnte, einen Zwischenstopp einzulegen. Dann versuchte er immer, am frühen Abend anzukommen, damit er sich gemütlich ein Zimmer suchen, nach dem Duschen Essen gehen und letztlich noch etwas den aktuellen Aufenthaltsort ansehen konnte.
Wenn Voss nicht gerade bei Bekannten schlief, nahm er sich bewusst einfache Herbergen. Schön fand er, dass er überall unterwegs nette Menschen kennenlernte. Der erste Eintrag in sein Tagebuch nach dem Start lautete: „Tag 1 ist nach anstrengenden 51 Kilometern im ersten Etappenort Bad Soden-Altenhain zu Ende. Es waren schwere, hügelige Kilometer durch das Emsbachtal, Selters, den wunderschönen Taunus über Teile des Feldbergs bis zum Etappenort“.
Weiter ging es an Frankfurt vorbei Richtung Odenwald und 42 Kilometer über den Neckarsteig, seiner Meinung nach der schönste Wanderweg Deutschlands. Zur Tour-Halbzeit befand sich Voss im Schwäbisch-Fränkischen Wald, übernachtete in Göppingen.
Der Hesse absolvierte eine Sightseeing-Tour durch Ulm mit Münster, Fischerviertel und Donau; nach Tag neun mit Ankunft in der Fuggerstadt Babenhausen hatte er schon zwei Drittel hinter sich. Traumhaft schön empfand Voss auch das Allgäu.
Keine Blasen
Nach zwölf Tagen war Oberammergau erreicht, nach 13 Tagen ohne irgendeine Blase an den Füßen endlich Garmisch. Nach einer Stadttour folgte dann der abschließende Clou, die 24 Kilometer Weg hoch auf den Gipfel der Zugspitze.
Anstrengend war der Aufstieg über Schutt, Geröll, Steine und viel Schnee mit kurzen Pausen zu der Reintalanger- und der Knorr-hütte. „Diese letzten Meter waren der absolute Wahnsinn mit einigen Tränen in den Augen“, gibt Dominic Voss zu.
Der 30-Jährige plant, in den kommenden Jahren weitere Touren anzugehen, beispielsweise die Herausforderungen Oberstdorf–Meran und München–Venedig. Ihm macht das Wandern jetzt soviel Spaß, dass er sogar überlegt, sein neues Hobby zu einem zweiten beruflichen Standbein zu machen und für Hobbywanderer organisierte Touren zu führen.
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