Limburg-Lindenholzhausen/Niederselters. Der Vormarsch der Alliierten im Frühjahr 1945 brachte nicht nur die Befreiung des Landes, sondern erlöste auch die Gefangenen des NS-Regimes ...

Ihre christliche Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus brachte die Lehrerin Maria Hilfrich aus Niederselters in das Konzentrationslager. Sie gehört zu den Frauen, die in einer Ausstellung über christliche Frauen in Ravensbrück gewürdigt werden. REPRO : KÖNIGSTEIN In diesem Haus in der Emsstraße verbrachte Maria Hilfrich ihre Kindheit und einige Jahre ihres Ruhestands. FOTO: KÖNIGSTEINBild: Ihre christliche Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus brachte die Lehrerin Maria Hilfrich aus Niederselters in das Konzentrationslager. Sie gehört zu den Frauen, die in einer Ausstellung über christliche Frauen in Ravensbrück gewürdigt werden. REPRO : KÖNIGSTEIN In diesem Haus in der Emsstraße verbrachte Maria Hilfrich ihre Kindheit und einige Jahre ihres Ruhestands. FOTO: KÖNIGSTEIN

Für Maria Anna Hilfrich aus Niederselters endete die Haft im Konzentrationslager Ravensbrück am 21. April 1945, nachdem die russische Armee die Gegend um Fürstenberg in Mecklenburg besetzt hatte.

VON URSULA KÖNIGSTEIN

Als Bachschusters Marie war Maria Anna Hilfrich in ihrem Heimatort Niederselters bekannt. Ihr Elternhaus steht am Emsbach, in der Emsstraße 2. Am 15. Mai 1889 geboren, war sie das siebte Kind der Eheleute Heinrich und Margarethe Hilfrich. Der Schuster Heinrich Hilfrich stammte aus Lindenholzhausen, aus der Familie, zu der auch der frühere Limburger Bischof Dr. Antonius Hilfrich gehörte.

In der Schule fiel Maria Hilfrich als besonders fleißige, brave, überdurchschnittlich begabte und intelligente Schülerin auf. Die Lehrer und der Pfarrer Anton Spangemacher empfahlen ihren Eltern, sie zur Lehrerin ausbilden zu lassen, für die damalige Zeit für Mädchen durchaus nicht selbstverständlich. Im Februar 1910 legte sie in Montabaur das erste pädagogische Staatsexamen mit durchweg sehr guten Noten ab. Bereits mit knapp 21 Jahren wurde sie Lehrerin in Siershahn im Unterwesterwaldkreis. Einzige Bedingung: Sie durfte nicht heiraten, wie damals alle weiblichen Lehrpersonen.

"Vorbildlicher Diensteifer"

Ab 1914 unterrichtete Maria Hilfrich in den oberen Mädchenklassen, und dies mit "vorbildlichem Diensteifer, sehr guten erzieherischen und unterrichtlichen Erfolgen", wie aus Zeugnissen in ihrem Nachlass hervorgeht. Außerdem sei ihr, so Eugen Caspary in einem Beitrag für das Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, von Schülern, Eltern, Kollegen und Vorgesetzten besondere Wertschätzung entgegengebracht worden. 1926 gründete sie eine ländliche Mädchenberufsschule, die sie bis 1938 leitete. Ihre Tätigkeit schloss stets auch die Erziehung der jungen Menschen in dem christlichen Geist mit ein, in dem sie selbst erzogen worden war. Zudem engagierte sie sich in vielfältiger Weise, so in der Jugend- und Wohlfahrtspflege oder im Mütterverein, insbesondere aber auf religiösem Gebiet, etwa bei der Gründung des Marienvereins in der Pfarrei. "Christlicher Geist bestimmte ihr Denken und Wirken im Dienste der Gemeinschaft in Schule, Kirche und Zivilgemeinde", heißt es in Papieren in ihrem Nachlass.

Dies führte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten unweigerlich zu Konflikten mit der zunehmend antichristlichen und antikirchlichen Politik der Staatsmacht und deren Vertretern in ihrer unmittelbaren Umgebung. Ihnen war vor allem ihr Mitwirken in der apostolischen Laienbewegung von Schönstatt, in der sie an führender Stelle aktiv war, ein Dorn im Auge. Mehrfach wurde sie bei ihren Vorgesetzten und bei der Gestapo denunziert. Dies führte im August 1938 zu ihrer Versetzung nach Ailertchen. Den Grund dafür sah sie, so ihr Bericht zu den Vorgängen des Jahres 1938, in ihrer religiösen Einstellung und "weil ich den Rassegedanken in der Oberklasse der Mädchen nicht im nationalsozialistischen Sinne behandelte". Denunziert hatten sie der NSDAP-Ortsgruppenleiter von Siershahn und einer ihrer Lehrerkollegen.

Als unmittelbaren Auslöser für die Strafversetzung vermutete Maria Hilfrich eine von ihren Schülerinnen ausgerichtete Marienfeier zum Abschluss des Marienmonats in der Schule. Dies bestätigte der damalige Schulrat Klemann in einer späteren Erklärung: "Unter dem Vorwand, sie betätige sich einseitig konfessionell und verletze dadurch das religiöse Empfinden nichtkatholischer Kinder, wurde Fräulein Hilfrich bald darauf nach Ailertchen versetzt. ... Unzweifelhaft war es eine Strafe für die Lehrerin wegen ihrer religiösen und politischen Haltung."

Aber auch in Ailertchen, wo sie nach der Einberufung ihres Kollegen die Schulleitung zu übernehmen hatte, wurde sie nicht in Ruhe gelassen. Insbesondere dessen Frau, die Führerin der nationalsozialistischen Frauenschaft in Ailertchen war, ließ keine Gelegenheit aus, die verhasste Lehrerin "in der entsetzlichsten Weise zu schikanieren", so Hilfrichs Aufzeichnungen. Schließlich erreichte die Frau ihr Ziel, die Lehrerin aus dem Dorf zu verbannen. In einer Versammlung der Frauenschaft hatte die Leiterin das Kreuz geschmäht und verspottet. Danach war es zu einem Eklat gekommen, den Maria Hilfrich angeblich verursacht hatte. Sie sei auf Veranlassung der Lehrerin auf dem Heimweg mit Steinen beworfen worden, behauptete die Frau gegenüber der Gestapo. Überhaupt habe Maria Hilfrich durch ihr provozierenden staats- und parteifeindliches Verhalten und ihren entschiedenen Einsatz für christliche Religion und Kirche Irritationen hervorgerufen und den dörflichen Frieden gestört. Gegen sie müsse endlich schärfer vorgegangen werden.

Eingeliefert ins Polizeigefängnis

Daraufhin wurde die Lehrerin im November 1942 mehrere Tage von Gestapoleuten verhört und schließlich am 5. November nach Frankfurt mitgenommen und in das Polizeigefängnis eingeliefert. Strafrechtlich war ihr nichts vorzuwerfen. Daher wurde sie beschuldigt, wegen ihrer religiösen Gesinnung politisch gefährlich zu sein, unter anderem auch wegen ihres Engagements in der Schönstatt-Bewegung. Auf einer als einzige Gestapo-Unterlage zu ihrem Fall erhalten gebliebenen Karteikarte heißt es: "Die Hilfrich wurde am 5.11.1942 wegen Sabotierung des NS-Erziehungswerkes festgenommen. Darüber hinaus hat sie sich an den Bestrebungen der ,Marianischen Gebets- und Opfergemeinschaft' betätigt und zersetzend mitgewirkt. Sie ist Diözesanleiterin der Lehrerinnen für die Diözese Limburg/Lahn." An anderer Stelle in Berlin ist ihre Verhaftung unter anderem mit der "Beunruhigung der Bevölkerung durch das Wiedereinführen von katholischen Schulgebeten und Wiederanbringung des Christuskreuzes in den Klassen der Schule in Ailertchen" begründet. Außerdem habe sie verbotene Bücher weitergegeben. Sie wurde in "Schutzhaft" genommen und im März 1943 ohne Gerichtsurteil in das Konzentrationslage für Frauen im mecklenburgischen Ravensbrück eingeliefert.

Im Frankfurter Gestapo-Gefängnis, in dem später auch eine Frau aus Niederbrechen gefangen gehalten wurde, machte Maria Hilfrich die Bekanntschaft einer Mitgefangenen, Dr. Elsie Kühn-Leitz, die später über sie schrieb: "Dann war da eine Lehrerin aus einem kleinen Dorf bei Limburg. Sie war die Kusine (tatsächlich eine Großcousine) des Bischofs Hilfrich von Limburg. Die Gestapo hatte sie verhaftet, weil sie strenggläubig katholisch war und bei einem Besuch eines höheren Nazibonzen in der Schule ihre Kinder erst ein Gebet zu Ende beten ließ, ehe sie auf die Wünsche des Besuchers einging. ... Es war eine äußerst stille, tapfere und fleißige Frau, die ihre ganze Kraft und seelische Haltung nur aus den ständigen Gebeten schöpfte und gerade wegen ihrer Frömmigkeit, die die Gestapo als gefährliche Halsstarrigkeit und als einen zu vernichtenden Orthodoxismus auffasste, so drangsaliert wurde."

Über ihre Ankunft im Konzentrationslager schrieb Maria Hilfrich: "Am Bahnhof Fürstenberg erwartete uns die SS mit Gewehren und Hunden ... Ich hatte die Lagernummer 17 938." In den ersten Monaten ihrer Haft arbeitete sie in einem Büro bei Zivilbeamten, ehe sie in die Versandabteilung eines Zweigbetriebs der Firma Siemens in unmittelbarer Nähe des Lagers eingesetzt wurde. An beiden Stellen habe sie Menschlichkeit und, soweit möglich, "gütiges Verstehen" gefunden, "Liebesbeweise der dreimal wunderbaren Mutter und Königin von Schönstatt." Es hätte auch anders kommen können, erinnerte sie sich: "Waldarbeit, Straßenbau, Ausladen der Schiffe, Kanäle reinigen..."Am 21. April 1945, einem Samstag, gegen 14 Uhr, kam schließlich die erlösende Nachricht: "Fertig machen zur Entlassung!"

Am 1. Oktober konnte sie ihre alte Stelle an der Volksschule in Siershahn wieder antreten. Zwei Jahre später wurde sie zur Hauptlehrerin und Schulleiterin ernannt, die sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1954 blieb. Für ihre besonderen Verdienste verlieh ihr die Gemeinde Siershahn die Ehrenbürgerwürde. In Siershahn verbrachte sie ihre letzten Lebensjahre bis zum Tod 1965.

HinVerwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.weis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.

 

 

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