Heringen/Limburg-Lindenholzhausen. Der Biologe Dr. Ralf Hilfrich (54) aus Heringen (Anm. WT: Geburtstort Lindenholzhausen) hat sein Testverfahren zur Diagnostik von Gebärmutterhalskrebs weiterentwickelt. Zurzeit geht es darum, die Früherkennung von Rachentumoren zu verbessern. Dieser Tumor tritt verstärkt bei Männern auf. Der Erreger ist der gleiche ...
Bild: Dr. Ralf Hilfrich erklärt sein Verfahren. fotos: Petra Hackert
VON PETRA HACKERT
Heringen - Vor fünf Jahren berichtete diese Zeitung von einem Erfolg des Biologen Dr. Ralf Hilfrich: Ihm war es erstmals gelungen, eine Erkrankung mit Humanen Papillom Viren (HPV) über einen Tropfen Blut zu diagnostizieren. Daran waren Wissenschaftler weltweit über 30 Jahre hinweg gescheitert. Inzwischen hat sich der Test weiterentwickelt und seine Fähigkeiten bei vielen verschiedenen HPV-bedingten Krebserkrankungen, wie Karzinomen im Mund und Rachen, im Analbereich sowie am Gebärmutterhals belegt. Ende 2019 hat sein Unternehmen, die Abviris Deutschland GmbH, damit in der Kategorie "Pilot of the year" als vielversprechendste Neuentwicklung des Jahres den britischen Diagnostic Award gewonnen.
Angefangen hat alles schon in den 90er Jahren. Damals arbeitete Hilfrich im Team am Institut für medizinische Mikrobiologie der Uni Mainz an einem Projekt, das zur Idee für den späteren Bluttest führte. "Wir arbeiteten damals mit Reagenzien, die ursprünglich für etwas anderes gedacht waren, aber auch beim Nachweis von Humanen Papillomvieren eingesetzt werden konnten", sagt Hilfrich. Diese Viren rufen bei einer Infektion der Schleimhäute ein unkontrollierbares Wachstum hervor. Häufig handelt es sich um gutartige Tumore, aber einige HPV-Typen können auch bösartige Veränderungen hervorrufen.
Der Biologe und sein Team spezialisierten sich auf den HPV-16-Typ, der entscheidend für diese Krebsart ist. Dr. Hilfrich konnte damals schon mit einer Studie mit 900 Frauen belegen, dass ein von ihm entwickeltes Verfahren bei der Diagnose von Gebärmutterhalskrebs entscheidende Vorteile bei der Vorhersage des Krankheitsverlaufs liefert. Es gab nationale und internationale Auszeichnungen wie den Innovationspreis des Landes Rheinland-Pfalz, Lob in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Dieses Verfahren ergänzt das erfolgreichste Krebsfrüherkennungsprogramm, den Pap-Abstrich, und ist heute jeder Frau mit Auffälligkeiten am Gebärmutterhals als Kassenleistung frei zugänglich.
Eine große Unsicherheit
Trotz des großen Erfolgs bekommt der seit 1970 angewendete Pap-Abstrich jedoch Konkurrenz. Seit Januar kann alternativ auch ein HPV-Test als Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses durchgeführt werden. Obwohl dies Hilfrichs Meinung nach wenig sinnvoll ist. "Wir tragen praktisch alle Humanen Papillomviren in unserem Körper, aber nur selten führt dies zu einer Krebserkrankung. Der Pap-Abstrich erkennt die Erkrankung, und das ist der große Vorteil. Frauen bekommen nur dann ein positives Ergebnis, wenn sie etwas haben. Der jetzt eingeführte HPV-Test erkennt jedoch die Infektion mit dem Virus. Das sagt aber nichts darüber aus, ob es sich um einen Erreger handelt, der die Krebserkrankung hervorrufen wird. Deshalb ist es im Grunde nicht sinnvoll. Sie wissen, Sie sind infiziert. Sie wissen aber nicht, ob sie auch in den nächsten 15 bis 20 Jahren erkranken werden. Eine große Unsicherheit, in der die Frauen dann leben müssen."
Der Pap-Test sei genauer. "Hier kann man sagen, Sie haben etwas." Das HPV-Verfahren biete höhere Trefferquoten. "Und das ist das Einfallstor am Markt gewesen. Sie brauchen einen kommerziellen Anbieter, der ein Verfahren verteidigt. Den hatte der Pap-Test nicht." In diese Gemengelage wollte er sich mit seinem neuen Bluttest nicht begeben, deshalb sei er in der Vorgehensweise umgeschwenkt.
"Beim Rachenkarzinom ist die Sachlage anders. Der Ort, an dem Gebärmutterhalskrebs entsteht, ist klein, ein Abstrich an einer eng begrenzten Stelle, dem Muttermund, besser geeignet als im Rachen. Der Rachenraum ist ungleich größer, eine riesige Fläche im Vergleich. Hier greifen das Abstrich-Verfahren und auch der HPV-Test nicht", erläutert der Biologe. Sein Bluttest, der unter dem Namen Prevo Check vermarktet wird, sei immer dann alternativlos, wenn ein Abstrich nicht möglich ist.
"Unser Schnelltest ermöglicht die Früherkennung von HPV-bedingten Krebsarten im gesamten Körper, ob im Mund, Rachen oder auch unter der Gürtellinie", erklärt der 54-Jährige. Die für den Award eingereichte Studie wurde vom Deutschen Kompetenznetz HIV/Aids unter Leitung von Professor Norbert Brockmeyer durchgeführt und hatte zum Ziel, den diagnostischen Nutzen des Prevo Checks für HIV-positive Patienten zu untersuchen. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: "An Analkarzinom erkrankte HIV-Patienten hätten durch den Einsatz des Prevo Check-Schnelltests bereits bis zu 9,5 Monate früher identifiziert werden können", sagt Dr. Hilfrich.
Was hat HPV mit HIV zu tun? Es sind unterschiedliche Krankheiten, doch sie können gemeinsam auftreten. In Entwicklungsländern wie den afrikanischen mit einer hohen Aids-Rate, gehe beides einher. "Dort werden Frauen auf Aids behandelt, sterben aber anschließend am HPV-Virus", sagt Hilfrich. "Sie haben Pest und Cholera, könnte man sagen, aber nur das eine wird untersucht."
Verhandlungen mit der Gesundheitsorganisation
Hier sei sein Unternehmen gerade in Verhandlungen mit der Weltgesundheitsorganisation. Das nächste Gespräch werde im März folgen. Das Ziel: "In Entwicklungsländern stehen die in Deutschland üblichen Tests nicht zur Verfügung. Es gibt gar keine Infrastruktur und ausgebildete Fachkräfte in genügend großer Zahl. Wir könnten mit unserem Verfahren die Situation entscheidend verbessern." Und wären außer Konkurrenz, zumal weltweite Patente Nachahmer verhindern sollen. Hilfrich ist überzeugt von seiner Methode - und den Möglichkeiten, die er dort unter Beweis stellen will.
Noch einmal zurück zum Rachenkarzinom: Hier könne er mit seinem Verfahren auch in Deutschland ein Vorreiter sein. "Die Ergebnisse unserer Pilotstudie sind vielversprechend." Üblicherweise sei es so: Ein Mann entdeckt beim Rasieren einen Knubbel am Hals, lasse das Ganze untersuchen. "Doch dann ist es schon zu spät. Das, was er bemerkt hat, ist bereits die Metastase. Der eigentliche Tumor sitzt in den Mandeln." Hier sei sein Testverfahren so genau, dass er damit die Früherkennung entscheidend voranbringen könne. Ziel sei es, eine dem Pap-Test entsprechende Früherkennung für Rachenkarzinome zu etablieren.
Die Aussichten hierfür schätzt Hilfrich durchaus als gegeben ein, da Rachenkarzinome bei Männern inzwischen häufiger vorkämen als Gebärmutterhalskrebs bei Frauen. Die jüngste Auszeichnung spricht dafür, auch seine Studienergebnisse. "Die extrem hohe Spezifität unseres Tests ist unser Vorteil. Wir erkennen nur erkrankte Menschen. Und die extrem hohe Trefferquote von um die 95 Prozent ist auch ohne Gleichen." Bei den Analkarzinomen liege sie bei 90 Prozent, beim Gebärmutterhalskrebs um die 80 Prozent, so dass praktisch der gesamte Körper auf einmal mit einem Tropfen Blut untersucht werden könne.
Bild: Der Teststreifen: Ein Tropfen Blut genügt für die Untersuchung. fotos: Petra Hackert
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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