Limburg-Lindenholzhausen. Kein Wort zur Kanzlerin. Kein Wort zur Parteivorsitzenden. Kein Wort zu seinen Ambitionen. Aber ein glückliches und dankbares Lächeln nach seinem knapp einstündigen Vortrag ...
Bild: Friedrich Merz (Zweiter von links) mit den Gastgebern Christian Wendel (l.) und Andreas Hofmeister (r.) sowie dem CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch im proppenvollen Bürgerhaus in Lindenholzhausen. Die CDU Limburg und die CDU Limburg-Weilburg hatten neben Mitgliedern auch mehrere Gäste des öffentlichen Lebens zum Neujahrsempfang eingeladen. fotos: joachim Heidersdorf
LINDENHOLZHAUSEN Der 64-Jährige begeistert die Anhänger beim Neujahrsempfang der CDU
"Merz als Kanzler" steht in großen Lettern Weiß auf Blau auf einem Transparent, das Mitglieder der Jungen Union gestern Abend auf der Bühne präsentieren. "Neuer Antrieb und Aufbruch für Deutschland", heißt es darunter.
Der Saal tobt. Fast alle Besucher des Neujahrsempfangs der CDU Limburg und des CDU Kreisverbandes erheben sich von den Plätzen, viele mussten ohnehin stehen, klatschen minutenlang und stimmen dem Parteinachwuchs zu.
Keine Maus passt mehr ins Bürgerhaus in Lindenholzhausen. 560 Menschen mit Eintrittskarte sind da. Wegen des großen Interesses mussten die Gastgeber den Ansturm steuern. Friedrich Merz hat ein Heimspiel. Die Delegierten aus dem Landkreis waren schon bei der Wahl zum Parteivorsitzenden, als er Annegret Kramp-Karrenbauer knapp unterlag, für ihn. Die Stimmung zeigt, dass sie das Parteivolk vertreten haben. Zieht man die kleine Schar der parteiinternen Kritiker und die Vertreter des öffentlichen Lebens ab, kommt man auf mindestens 500 begeisterte Anhänger.
"Kompass, um Position der CDU zu erkennen"
Friedrich Merz hat einen starken Abgang. Den geplanten starken Start macht er selbst zunichte. Eigentlich sollte der 64-Jährige "Hoffnungsträger" mit dramatischer Musik und viel Tamtam ins abgedunkelte BGH einziehen. Stattdessen geht er beim Auftritt von "Principium Canti" beinahe unbemerkt still und leise in die erste Reihe. "Die gute Nacht kommt nun herbei" singt da gerade das Ensemble. Kein Gag.
Der Stargast hört eine Dreiviertel-stunde lang aufmerksam zu. Dem kleinen Chor unter Leitung von Nick Giehl, dem CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Christian Wendel und seinem ehemaligen Bundestagsfraktionskollegen Klaus-Peter Willsch, einem Bruder im Geiste. "Wir müssen aufhören mit dem tagesaktuellen Gequatsche und den Menschen wieder Orientierung geben", sagt Willsch. "Heute brauchen sie einen Kompass und Feldstecher, um die Position der CDU zu erkennen, geschweige denn eine Richtung."
Den Thüringer Parteifreunden will er nach dem Wahleklat keine Ratschläge geben. Stattdessen fordert Willsch, sich nicht nur nach rechts, sondern ebenso klar nach links abzugrenzen und den gescheiterten Ministerpräsidenten der SED-Nachfolgepartei nicht als Gralshüter der Demokratie zu feiern.
Merz braucht später noch einmal eine Dreiviertelstunde, bis er den Skandal anspricht und Adenauer zitiert: "Ich bin ja mit dem lieben Gott so weit einverstanden, aber dass er der Klugheit Grenzen gesetzt hat und der Dummheit nicht, das nehme ich ihm wirklich übel." Es hätte nicht passieren dürfen, dass die CDU mit Hilfe der AfD einen Regierungschef inthronisiert. "Wir dürfen zu keinem Zeitpunkt bei so einer Wahl links- oder rechtsradikalen Kräften die Hand reichen", sagt Merz unter Beifall. Die Rechten um den "unsäglichen Herrn Höcke" spielten mit der Demokratie.
Wenn der Pulverdampf um Erfurt sich gelegt habe, müsse die CDU allerdings auch die Frage beantworten, wie es zum Aufschwung der AfD kommen konnte - "ob wir nicht ebenfalls einen Beitrag dazu geleistet haben, weil wir viele unserer Wähler alleine gelassen haben."
Der 1,98 Meter große und gertenschlanke Mann will der CDU wieder mehr Gewicht geben. "Wir sind die einzige politische Kraft in Deutschland, die Stabilität und Integrationsfähigkeit zur politischen Mitte hin verbinden kann", ruft er ins Publikum. Auch die Wert-Konservativen müssten in der CDU eine politische Heimat haben. Die Partei sollte alle Bevölkerungsgruppen einbeziehen, rät Merz, auch Einwanderer. "Aber die sollen bei aller Offenheit und Toleranz auf den Fundamenten christlicher Werte stehen." Er sei für türkische Schulen in Deutschland - mit Unterricht in deutscher Sprache und unter deutscher Aufsicht.
Im Bürgerhaus ist es mucksmäuschenstill, außen lärmen ein paar Jugendliche unentwegt. Was sie mit ihrem Gejohle und lauter Musik bewirken wollen, bleibt ihr Geheimnis.
Allgemein findet Merz das Engagement junger Menschen für das Klima "wirklich toll". Sie müssten sich allerdings auch fragen, wo die Arbeitsplätze künftig herkommen sollen. Die Antwort auf den Vorwurf der Aktivistin Greta Thunberg, ihre Generation sei um ihre Jugend betrogen worden, müsse lauten: "Ihr habt die beste Jugend gehabt, die es jemals in dieser Welt gab."
Den Ausstieg aus der Kernenergie hält Merz "im Prinzip für richtig", er sei jedoch nicht durchdacht und zum falschen Zeitpunkt erfolgt. "Wir steigen ja nicht aus der Nutzung der Kernenergie aus, sondern nur aus der Produktion", erklärt er. Entschieden wehrt der Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrats sich gegen den Begriff Dieselskandal. "Wir haben einen Betrugsskandal in der Autoindustrie. Der Diesel gehöre zu den modernsten Technologien für Verbrennungsmotoren und sollte weiter in Deutschland produziert werden.
"Es gibt nur eine Sicherheit für das Land"
Merz warnt davor, zwischen innerer und äußerer Sicherheit zu unterscheiden. "Es gibt nur eine Sicherheit für das Land", sagt er. Polizei und Militär müssten optimal ausgerüstet, das Land aber auch in allen anderen Bereichen, vor allem wirtschaftlich, auf den Epochenwandel vorbereitet sein. "Wir staunen, handeln aber nicht", meint Merz. "Unsere Prioritäten sind nicht mehr die richtigen." Erste Priorität hat für ihn der Zusammenhalt Europas als Gegengewicht zu den USA und China.
Andreas Hofmeister spricht am Ende von einem "großartigen Erlebnis". Der CDU-Kreisvorsitzende hat das Schlusswort. Die Pointe überlässt er der Jungen Union.
joachim heidersdorf
Bild: Merz als Kanzler: Die Botschaft der Jungen Union auf der Bühne war klar - und der starke Applaus der Gäste im Saal bestätigte den Nachwuchs. fotos: joachim Heidersdorf
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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