Limburg-Lindenholzhausen. Lampenfieber vor der Prüfung kennt jeder. Auch die Abiturienten werden in den nächsten Tagen damit kämpfen müssen, heute beginnen die Abi-Prüfungen. NNP-Mitarbeiterin Judith Hoppermann hat mit Psychologin Ulrike Meiss aus Lindenholzhausen über Prüfungsangst gesprochen ...
Bild: Psychologin Ulrike Meiss
Was ist das Problem bei Prüfungsangst?
MEISS: Menschen mit Prüfungsangst sind Meister darin, Katastrophenszenarien zu entwerfen. Immer wieder malen sie sich aus, was alles schiefgehen könnte. Solche Gedanken bedeuten Stress, und das überträgt sich dann auch auf den Körper. Das Problem ist: Damit versetzt man den Körper in einen Kampf- und Fluchtmodus. Der Herzschlag und die Atmung gehen hoch, auch die Muskeln spannen sich an. Das ist toll, wenn man kämpfen will, aber ich kann dem Mathe-Prof ja nicht einfach eine reinhauen. Und weglaufen, das geht auch nicht. Ich muss mich der Situation stellen.
Aber ist Nervosität nicht normal?
MEISS: Ein bisschen Aufregung ist normal und auch wichtig, sonst kann ich mich nicht optimal vorbereiten und auch in der Prüfung keine gute Leistung bringen. Deshalb würde ich auch nur im äußersten Notfall zu Beruhigungsmitteln raten. Denn diese Mittel dämpfen komplett. Dann ist auf einmal alles egal, die Angst ist weg. Wir brauchen eine gewisse Grundaufregung. Solange ich trotz der Nervosität funktioniere und vorher noch an andere Dinge als die Prüfung denken kann, durchschlafe, zum Sport gehe, dann ist alles im grünen Bereich.
Und das ist bei Menschen mit Prüfungsangst nicht der Fall?
MEISS: Bei ihnen ist es letztendlich echter Leidensdruck. Die Angst schlägt um in körperliche und psychische Beschwerden, sodass die Betroffenen nicht die Leistung bringen können, zu der sie sonst fähig wären. Die Prüfungsangst kann so schlimm werden, dass dann auch in der Prüfung noch ein Blackout hinzukommt. Oft ist die Zeit vor der Prüfung noch viel schlimmer: Ab dem Moment, an dem der Termin feststeht, geht der Stress los: Menschen mit Prüfungsangst bereiten sich auf den Super-Gau vor. Und das immer, wenn jemand sagt: Zeigen Sie mal, was Sie können. Egal, ob Abschlussprüfung, Angelschein oder Vorstellungsgespräch. Wenn das so weit geht, dass sie mehrfach durch wichtige Prüfungen fallen, sich gar nicht erst zur Prüfung anmelden, oder die Schule abbrechen, nur um die Prüfung zu vermeiden, dann wird es sogar existenzbedrohend.
Entspannung wichtig
Was kann man bei einem Blackout tun?
MEISS: Raus, das ist dann das einzige, was noch hilft. Erst einmal den Stuhl zurückschieben, den Stift aus der Hand legen und die Hände weg vom Papier. Wer es beherrscht, kann Entspannungsübungen einsetzen. Alles im Körper ist gerade auf Kämpfen eingestellt, also geht man offiziell aufs Klo, um sich zu bewegen. Hauptsache man schwitzt und bringt sich an die körperliche Leistungsgrenze.
Wer hat Prüfungsangst?
ULRIKE MEISS: Das sind in der Regel sehr ehrgeizige Menschen. Die Angst entsteht dann entweder an einem bestimmten Punkt oder über einen längeren Zeitraum aufgrund vieler kleiner Ereignisse und mündet schließlich in einer richtigen Prüfungsangst.
Gibt es verschiedene Typen bei prüfungsängstlichen Menschen?
MEISS: Es gibt zum einen die Perfektionisten, die dann nur noch lernen. Und dann gibt es noch die Vermeider, die aus Angst vor der Prüfung immer alles von sich wegschieben. Aber egal, welcher Typ man ist: Je näher die Prüfung ist, desto kränker wird man. Besser treffen es noch die Perfektionisten. Sie lernen und könnten die Prüfung problemlos schaffen, schaukeln sich mit ihrer Angst aber so hoch, dass ein Blackout in der Prüfung wahrscheinlich wird. Bei den Vermeidern ist die Prüfungsangst in gewisser Weise berechtigt, da sie auch den Lernstoff nicht sicher beherrschen.
Was sind Symptome für Prüfungsangst?
MEISS: Das sind zum Beispiel eine hohe Grundanspannung, die in Kopfschmerzen und Migräne münden kann, Schlafstörungen, Bauchprobleme mit Durchfall und Übelkeit oder starkes Schwitzen. Das vegetative Nervensystem ist außer Kontrolle. Die anderen Symptome betreffen die gedankliche Ebene.
Was kann man dagegen tun?
MEISS: Wichtig ist, den Körper auf ein normales Anspannungsniveau herunterzufahren. Regelmäßiger Sport hilft dabei. Für den Anfang reicht auch aufstehen, rausgehen, einmal die Treppe hoch und runter laufen, und sich einmal am Tag richtig auszupowern. Wer Entspannungstechniken beherrscht, ist auf einem guten Weg. Dann muss man noch die negativen Gedanken stoppen und sich positive in Erinnerung rufen – die kann man vorher auf einem Zettel aufgeschrieben haben: Ich werde bestehen. Ich bin gut vorbereitet. Was auch hilft, ist sich immer wieder vorzustellen, wie die optimale Prüfung aussehen würde. Das Gehirn kann nicht zwischen tatsächlich Erlebtem und der Vorstellung unterscheiden.
Artikel vom 07.03.2014, 03:30 Uhr (letzte Änderung 07.03.2014, 03:32 Uhr)
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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