Limburg. Die einen dürfen, wollen aber nicht. Die anderen wollen, dürfen aber nicht. Die Rede ist von der Windenergie. Während sich vielerorts massiver Bürgerprotest gegen Windräder bildet, hätte die Stadt Limburg kein Problem damit, auf ihrer Gemarkung mehr Windräder zuzulassen. Doch das bedarf der Zustimmung des Regierungspräsidiums Gießen. Die Behörde hat aber bislang andere Pläne ...

Dieser Blick bietet sich vom Windrad in Offheim aus. Dieses Windrad wird künftig nicht in einer sogenannten Vorrangfläche für Windenergie stehen. Das bedeutet: Eine Erneuerung des Windrads wäre nicht mehr möglich. Das will die Stadt Limburg nicht hinnehmen. Foto: J. BlochingBild: Dieser Blick bietet sich vom Windrad in Offheim aus. Dieses Windrad wird künftig nicht in einer sogenannten Vorrangfläche für Windenergie stehen. Das bedeutet: Eine Erneuerung des Windrads wäre nicht mehr möglich. Das will die Stadt Limburg nicht hinnehmen. Foto: J. Bloching

"Wir reden über die Energiewende, aber richtig wollen wollen wir sie nicht", sagte Marion Schardt (FDP). "Die CDU hätte sich deutlich mehr erwartet, aber wir müssen der Realität ins Auge blicken", sagte Michael Köberle (CDU). Keine Frage, Begeisterung sieht anders aus.

Was die beiden Stadtverordneten ernüchtert, ist der Entwurf zum Teilregionalplan Energie Mittelhessen. Den hat das Regierungspräsidium (RP) Gießen vorgelegt, die Kommunen sollen dazu Stellung nehmen. Dabei geht es um die Frage, wo in Mittelhessen, und damit auch in Limburg und Umgebung, welche regenerativen Energieträger (Wind, Sonne, Biomasse) angesiedelt werden dürfen.

"Madame No"

Die Stadt Limburg hat zahlreiche Änderungswünsche zu diesem Plan, die in der Sitzung der Stadtverordneten am Montagabend alle mit großer Mehrheit angenommen worden sind. Bei einzelnen Punkten gab es jedoch Widerstand von den Grünen. Die Stadtverordnete Sigrid Schmüser (BZL) entpuppte sich als "Madame No" - sie sagte immer Nein.

Die Unzufriedenheit mit dem bisherigen Plan wird vor allem bei der Windenergie deutlich. Das RP Gießen will Windkraftanlagen nach den Vorgaben des Landes Hessen nur noch dort akzeptieren, wo die durchschnittliche Windgeschwindigkeit 5,75 Meter pro Sekunde beträgt.

Nur eine Windfarm

Die Stadt Limburg kritisiert dies und will in der Regionalversammlung beantragen, auch Gebiete für Windkraft mit einer Windgeschwindigkeit von 5,5 Metern pro Sekunde zu berücksichtigen.

Der vom RP geforderte Wert gehe "an der Ansiedlungsrealität von Windkraftbetreibern vorbei, bei denen Windkraft ein Faktor unter vielen ist, um Windgeneratoren wirtschaftlich betreiben zu können", heißt es in der Stellungnahme der Stadt Limburg.

Ein weiterer Kritikpunkt der Stadt ist der geplante "vollständige Ausschluss von Natura-2000-Gebieten für Vorranggebiete Windenergie". Die Stadt Limburg möchte dagegen erreichen, dass in diesen Naturschutzgebieten Windräder "nach Einzelfall-Prüfung" errichtet werden dürfen, sofern dort die durchschnittliche Windenergie mehr als 5,5 Meter pro Sekunde beträgt.

Diesem Punkt konnten allerdings nicht alle Grünen zustimmen; einige votierten mit Nein. Zuvor hatte Leo Vanecek (Grüne) erklärt, dieser Änderungswunsch der Stadt sei in seiner Fraktion kontrovers diskutiert worden. Deshalb bat er um getrennte Abstimmung. Seine persönliche Auffassung sei klar: Windkraft in Schutzgebieten bereite den zu schützenden Tieren Probleme. Für Sigrid Schmüser (BZL) war die Infragestellung des Vogelschutzgebiets sogar "ein Skandal".

Ebenfalls unzufrieden ist die Stadt damit, dass die Aufrüstung (Repowering) bestehender Windkraftanlagen künftig ausgeschlossen sein soll, wenn sich diese Anlagen nicht in einem Vorranggebiet befinden. Davon betroffen sind nach Angaben der Stadt auch die bestehenden Windräder in Offheim. Die Stadt fordert deshalb, Repowering nach einer Einzelfallprüfung auch außerhalb von Vorranggebieten für Windkraft zuzulassen.

Sollte sich das RP Gießen mit seinen Vorgaben zur Windenergie durchsetzen, bedeutet das nach Angaben der Stadt, "dass eine Windfarm lediglich im Staffeler/Elzer Wald in Verbindung mit der Gemeinde Elz südlich der A3 errichtet werden kann", wie in der Vorlage des Magistrats kritisiert wird.

Aus Sicht der Stadt ist die Fläche zwischen Lindenholzhausen, Runkel und Brechen prinzipiell für Windenergie geeignet - diese Fläche werde im vorgesehenen Teilregionalplan aber nicht ausgewiesen. "Der Stadt Limburg ist die Ausgrenzung dieser Flächen ohne genauere artenschutzrechtliche Prüfung zu pauschal, sie fordert die Ausweisung dieser Fläche", und zwar nach einer Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet.

Solarenergie ja, aber ...

Änderungsbedarf sieht die Stadt Limburg auch bei der geplanten Ausweisung von Freiflächen für Sonnenenergie. Das vom RP Gießen vorgegebene pauschale Ziel, pro Gemarkung vier Prozent der Vorrang- und Vorbehaltsflächen für Landwirtschaft künftig für Photovoltaik-Flächen auszuweisen "ist aus Sicht der Stadt Limburg zu allgemein und entspricht nicht der differenzierten Siedlungsstruktur".

Das Problem: "So werden insbesondere die sehr guten Böden im Limburger Becken genauso stark von Photovoltaik beansprucht wie die besser geeigneten, nicht so ertragreichen Böden an anderer Stelle", heißt es in der Stellungnahme der Stadt. Sie will sich deshalb dafür einsetzen, dass mehr Rücksicht auf die Landwirtschaft genommen wird - denn die werde auf Limburger Gemarkung schon jetzt "durch einen hohen Siedlungsdruck" stark beeinträchtigt.

Konkret heißt das: Die Stadt Limburg hält das Limburger Becken mit seinen besonders guten Böden für weniger geeignet, um Freiflächen für Photovoltaik-Anlagen zu schaffen und will deshalb vom RP überprüfen lassen, solche Anlagen auf solchen Flächen in Limburg "eher zu begrenzen" und "stärker dort auszuweiten, wo eine höhere Flächenverfügbarkeit und schlechtere Böden vorhanden sind". Dementsprechend plädiert Limburg dafür, solche Vorrangflächen an hoch belasteten Bundesstraßen und entlang von Lärmschutzwällen zu errichten.

Nach einem Änderungsantrag der FDP sollen das die Grünflächen südlich der B54 auf Ahlbacher Gemarkung sein und nach einem Änderungsantrag der FWG der Lärmschutzwall im Baugebiet Rosengarten und der Lärmschutzwall an der A3. Auch dafür gab es eine große Mehrheit in der Abstimmung, bei nur einer Nein-Stimme.

Außerdem eignen sich laut der Stadt Limburg Flächen östlich der B49 in Limburg zwischen dem Gewerbegebiet Dietkircher Höhe und der B49 als künftige Flächen für Solarenergie sowie nordöstlich der A3 und südöstlich der B8 in Lindenholzhausen. Auch die Deponien Offheim und Lindenholzhausen sind aus Sicht der Stadt für Solarenergie geeignet, weil sie bereits elektrisch erschlossen seien und keine Beeinträchtigung für die Landwirtschaft bedeuteten.

Keine Probleme hat die Stadt dagegen mit den vom RP Gießen vorgesehenen Flächen für Biogas-Anlagen, weil sich auf dem Stadtgebiet Limburg "lediglich südwestlich von Linter an der Gemeindegrenze zu Brechen Suchräume für Biogasanlagen ... befinden".

Das letzte Wort

Insgesamt sprach Marion Schardt (FDP) von "ernüchternden Vorschlägen des RP". Es sei falsch, Windenergie in Limburg "fast komplett abzulehnen". Schließlich gehe es nach dem Atomausstieg um eine Energiewende "und da muss die Politik Antworten finden".

Auch Peter Rompf (SPD) zeigte sich wenig erfreut: Von irgendwo müsse der Strom doch künftig herkommen. Mit dem vom RP vorgelegten Plan sei eine Stadt wie Limburg vom Ziel der Eigenversorgung mit Energie "weit entfernt", kritisierte Michael Köberle (CDU).

Das letzte Wort zum Teilregionalplan Energie hat nun die Regionalversammlung Mittelhessen. Sie besteht zurzeit aus 31 Mitgliedern, die von den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen der Landkreise Gießen, Lahn-Dill, Limburg-Weilburg, Marburg-Biedenkopf und Vogelsberg sowie der Städte Gießen, Marburg und Wetzlar gewählt werden.

Artikel vom 22.03.2013, 03:00 Uhr (letzte Änderung 25.03.2013, 15:34 Uhr)

Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.

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