Limburg-Lindenholzhausen. Das nächste Dorfjubiläum in Lindenholzhausen steht erst wieder in 50 Jahren an. Doch wenn im Jahr 2072 an das 1300-jährige Bestehen erinnert wird, wird es keine Zeitzeugen mehr geben, die berichten können, wie es war, den Zweiten Weltkrieg in Lindenholzhausen erleiden zu müssen ...

Drei US-Soldaten im Jahr 1945 in Lindenholzhausen. Die Aufnahme befand sich im Besitz des Soldaten rechts auf der Bank. Die Amerikanerin Janice Tyrell bekam das Foto von ihrem Vater "Ace" Keyes, der sich nach der Befreiung eine Zeit lang in Limburg aufhielt. FOTO: PRIVATBild: Drei US-Soldaten im Jahr 1945 in Lindenholzhausen. Die Aufnahme befand sich im Besitz des Soldaten rechts auf der Bank. Die Amerikanerin Janice Tyrell bekam das Foto von ihrem Vater "Ace" Keyes, der sich nach der Befreiung eine Zeit lang in Limburg aufhielt. FOTO: PRIVAT

Vom 26. bis 29. Mai wird in Lindenholzhausen das 1250-jährige Bestehen gefeiert. In einer Serie stellen wir Menschen und besondere Ereignisse aus dem Ort vor. Heute geht es um Erinnerungen aus dem Krieg in Lindenholzhausen.

Das Organisationskomitee für die diesjährige 1250-Jahr-Feier hat deshalb ältere Bürger in Lindenholzhausen gebeten aufzuschreiben, was sie im Krieg erlebt haben. Durch den Krieg in der Ukraine bekommen diese Schilderungen eine zusätzliche Dramatik: Was zum Beispiel Lydia Jung im Jahr 1944 als Zwölfjährige in Lindenholzhausen erlebt hat, passiert heute in der Ukraine.

"Schon sahen wir die ersten Bomben fallen"

Die Oma von Lydia Jung kam beim Bombenangriff am 25. November 1944 in ihrem Haus ums Leben. Das Foto entstand bei ihrem Begräbnis und zeigt Witwer Ferdinand Dernbach sowie seine drei Söhne am Grab. FOTO: PrivatBild: Die Oma von Lydia Jung kam beim Bombenangriff am 25. November 1944 in ihrem Haus ums Leben. Das Foto entstand bei ihrem Begräbnis und zeigt Witwer Ferdinand Dernbach sowie seine drei Söhne am Grab. FOTO: Privat

"Den 25. November 1944 werde ich wohl nie vergessen", schreibt die 89-jährige Lydia Jung, geborene Dernbach. "Gegenüber der alten Schule in der Schulstraße war das Elternhaus meines Vaters, dort wohnten Oma und Opa Dernbach. Am 25. November gab es im Laufe des Vormittags Vollalarm. Alle Schüler stürmten aus der Schule. Dort traf ich eine meiner Schwestern, und wir fragten uns, bleiben wir bei der Oma oder laufen wir nach Hause? Wir sausten schnell nach Hause in die Frankfurter Straße.

Da unser damaliger Vermieter keinen Luftschutzkeller hatte, hielten wir uns in der ,Futterküche' ebenerdig auf. Von dort aus sahen wir die schweren Kampfverbände niedrig übers Dorf fliegen und schon sahen wir die ersten Bomben fallen."

Nach dem verheerenden Angriff folgt gleich der nächste Schock: "Es stellte sich heraus, dass unsere Großmutter begraben unter den Trümmern ihres Hauses in der Schulstraße lag und nicht mehr lebte. Rund um die Schule waren vier Häuser durch Sprengbomber getroffen worden und es gab noch weitere vier Tote, darunter auch ein fünfjähriges Kind.

Unser Großvater, der inzwischen zu Fuß vom Limburger Bahnausbesserungswerk nach Lindenholzhausen gelaufen war, nahmen wir, das heißt unsere Mutter und wir vier Kinder, bei uns auf. Er war so erschüttert, dass er in der folgenden Zeit bei Fliegeralarm nie mehr einen Keller aufgesucht hat.

Zur Beerdigung von Großmutter bekamen ihre drei Söhne Heimaturlaub. Für den jüngsten Sohn war das ein letztes Wiedersehen, denn er wurde an der russischen Front tödlich verletzt und hat seinen später geborenen Sohn nie gesehen."

Lydia Jung und Bernhard Rompel haben ihre Erinnerungen an den Krieg in Lindenholzhausen aufgeschrieben. Das Lindenholzhäuser Wappen aus Metall hat Rompel selbst entworfen. FOTO: STEFAN DICKMANNBild: Lydia Jung und Bernhard Rompel haben ihre Erinnerungen an den Krieg in Lindenholzhausen aufgeschrieben. Das Lindenholzhäuser Wappen aus Metall hat Rompel selbst entworfen. FOTO: STEFAN DICKMANN

An das Kriegsende und "wie die ersten Amerikaner auf der B 8 von Limburg aus in unser Dorf kamen" erinnert sich der 88-jährige Bernhard Rompel. Es war Dienstag, 27. März 1945, 18 Uhr: "Da die Panzer auf der Autobahn schon weiterrollten, gingen wir als Jugendliche zur Mensfelder Straße, dann ein Stück rechts ins Feld, um die Panzerkolonne zu sehen", schreibt er. "Kurze Zeit danach hörten wir, wie über einen Lautsprecher aus der Ferne gesprochen wurde. Wir liefen eiligst zur B 8 Richtung Kapellchen. Dort waren bereits fast alle Häuser mit weißen Bettlaken oder Bezügen behängt, als Zeichen zur kampflosen Aufgabe.

Wir sahen, wie ein offener Militärjeep langsam angefahren kam, worin ein Offizier ausrief: ,Ihr deutschen Landser, Soldaten, ergebt euch freiwillig und kommt heraus!' Der Jeep wurde von Soldaten begleitet mit Gewehren im Anschlag, um im Ernstfall zu schießen."

Die deutschen Soldaten seien früh genug abgezogen und verschwunden. Weiter schreibt Bernhard Rompel: "Kurz darauf besetzten die amerikanischen Truppen mit ihren Fahrzeugen die gesamte Wendelinusstraße. Vor unserem Hof bei Goldschmieds, Haus Nr. 15, stand ihr Küchenwagen und die Kochstelle, die für die Verpflegung der amerikanischen Soldaten sorgte.

Aber das Erste, was die Soldaten machten: Sie liefen alle Häuser und Bauernhöfe, wo Hühner waren, ab und sammelten alle Eier ein, die sie finden konnten. Damit kamen sie zu uns und meine Mutter Gred holte die größte Pfanne, die wir hatten, und backte darin die Eier. Dafür bekamen wir das helle amerikanische Weißbrot, das erste Weißbrot, das wir in unserem Leben gegessen haben. Wir hatten das Glück, dass die mobile Verpflegungsstelle vor unserem Hof stand.

Denn an einem Fischtag gab es Sardinen als Zwischenspeise. Hunderte von leeren Sardinenbüchsen landeten einfach in unserem Hof. Aber in vielen steckten noch Reste von den Sardinen. Diese waren für uns Buben eine Götterspeise, denn Ölsardinen hatten wir noch nie gegessen, nur Salzheringe aus dem Fass von Brums Gredas Tante-Emma-Laden in der Wendelinusstraße." dick

Buch zum Jubiläum

Diese und weitere Erinnerungen sowie Anekdoten von Lindenholzhäusern wird es in einem Jubiläumsband in Buchform zum Selbstkostenpreis geben, das rund zehn Euro kosten wird. Es wird während der Jubiläumsfeiern vom 26. bis 29. Mai in Lindenholzhausen verkauft. Über das Jubiläum gibt es weitere Infos im Internet unter www.Lindenholzhausen1250.de

"De Kriech is rim - de Kriech is rim!"

Das Team, das das Dorfjubiläum in Lindenholzhausen organisiert, hat auch Anekdoten gesammelt. Eine Anekdote einer Bürgerin aus Hollesse heißt "Die weiße Flagge" und beschäftigt sich auf humorvolle Weise mit dem Tag, an dem die Amerikaner im März 1945 Limburg befreiten und auch nach Lindenholzhausen kamen:

1945, als de Kriech aus wor,

dott iss nit gelue,

do sänn die Amis met de Panzer

änns Dorf änngezue.

"Hollt die weiße Fuhne raus,

unn hingt se schnell off drausse um Haus!"

Die Tante Maja, die Mutter vum Schaa,

dej soot wott mach eich da?

Se mecht die erscht best

Schubblood off,

unn rannt met dem Duch die Trepp e noff.

Se hott dott Duch, dott musst er wässe,

vu de Fronleichnamsprozession gegräffe.

Do droff stann mit rotem Garn gestickt

"Hochgelobt der da kommt!"

Do kome die Panzer schun ugerollt.

De Ami hail still unn hot sich gefreut,

de kunnt bestimmt Deutsch eer Leut!

Die Tante Maja soot erstaunt,

sänn dej all su gout gelaunt?

Als die Maja guckt zum Fenster raus,

do schmeisst de Ami noch e Kaugummi raus.

Do leeft se off die Gass erim unn ruift:

"De Kriech is rim - de Kriech is rim!"

red

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.