Limburg-Lindenholzhausen. Der juristische Streit um die finanzielle Wiedergutmachung des Millionenbetrugs im Bistum entwickelt sich zu einer unendlichen Geschichte. Die Diözese hat jetzt zwar auch in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht im Grundsatz Recht bekommen – aber immer noch kein Geld vom ehemaligen Rentamtsleiter und dessen Familie ...

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Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei
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Bistum: Recht, aber kein Geld

OLG: Jung-Diefenbachs Familie muss zahlen – Das Bischöfliche Ordinariat will keinen Vergleich


Von Joachim Heidersdorf

Bild: Das ist die inzwischen berühmte Villa in der Prälat-Stein-Straße in Lindenholzhausen, die vor dem Betrugskandal in der Zeitschrift „Schöner Wohnen“ zu sehen war. Das Haus gilt bislang als einziges verwertbares Objekt für die finanzielle Wiedergutmachung. Eine Frau aus Speyer wollte es für 460.000 Euro in bar kaufen, aber das Bistum, das knapp 200.000 Euro von der Summe bekommen hätte, lehnte ab.Bild: Das ist die inzwischen berühmte Villa in der Prälat-Stein-Straße in Lindenholzhausen, die vor dem Betrugskandal in der Zeitschrift „Schöner Wohnen“ zu sehen war. Das Haus gilt bislang als einziges verwertbares Objekt für die finanzielle Wiedergutmachung. Eine Frau aus Speyer wollte es für 460.000 Euro in bar kaufen, aber das Bistum, das knapp 200.000 Euro von der Summe bekommen hätte, lehnte ab.

In der katholischen Kirche ist auch der Glaube an das Recht unerschütterlich. Obwohl alle Richter den Verantwortlichen des Bischöflichen Ordinariats (BO) seit Monaten eindringlich raten, mit dem Millionenbetrüger Werner Jung-Diefenbach und dessen Familienangehörigen einen Vergleich abzuschließen, bleibt das Bistum stur. "Wir wollen keinen Vergleich, sondern Recht", sagte BO-Syndika Dr. Danielle Gaukel gestern klipp und klar der NNP.

Die Diözese hatte mit ihren zivilen Klagen nun auch in den Berufungsverhandlungen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt Erfolg, hat aber immer noch keinen verwertbaren Titel – und erst recht keine Mittel! Insgesamt verlangt das Bistum 3,8 Millionen Euro Schadensersatz. Das OLG hat entschieden, dass Jung-Diefenbachs Ehefrau K. 872 000 Euro und eine der beiden Zwillingstöchter, S., 488 000 Euro zurückzahlen müssen. Offen ist noch die Klage gegen die zweite Tochter Y., die 502 000 Euro erstatten soll. Das sind die Summen, die Jung-Diefenbach aus dem Vermögen der Kirche in bar auf die Konten von Frau und Kindern eingezahlt hat.

Inzwischen sind zwei Wohnungen in Lindenholzhausen auf Betreiben einer Bank versteigert worden. Dass das BO vom Erlös einen Cent sehen wird, gilt als unwahrscheinlich.

Nach Stand der Dinge scheint nur durch den Verkauf der Villa in der Prälat-Stein-Straße in Lindenholzhausen etwas zu holen zu sein. Dieses Objekt hatten Tochter und Schwiegersohn dem Bistum als Vergleichsangebot offeriert, knapp 200 000 Euro wären sofort in die Kasse der Diözese geflossen – doch die lehnte dankend ab. Eine Frau aus Speyer wollte 460 000 Euro in bar bezahlen, Jung-Diefenbachs Tochter mit ihrer Familie kurzfristig ausziehen. 270 000 Euro hätten an Darlehen abgelöst werden müssen, so dass 190 000 Euro übrig geblieben wären.

Dr. Brigitta Hohnel und Dr. Andreas Hohnel, die neuerdings eine der beiden Zwillingstöchter und die Ehefrau Jung-Diefenbachs vertreten, wundern sich über die Haltung des BO. "Bei der Gegenseite besteht nicht die geringste Verhandlungsbereitschaft", sagten sie der NNP.

Hoffnung auf Millionen

Die unnachgiebige Position des Bischöflichen Ordinariats begründete die Rechtsvertreterin gegenüber dieser Zeitung: "Wir haben schon so viele schlechte Erfahrungen in dieser Sache gemacht, dass wir keine Kompromisse eingehen wollen", sagte Danielle Gaukel. Die zuständigen Gremien des BO hätten das Vergleichsangebot eingehend geprüft und entschieden, abzuwarten, "bis Recht gesprochen ist". Erste Voraussetzung für einen Vergleich sei ein notarielles Schuldanerkenntnis, das bis heute ausstehe. Die Juristen des Bischofs verlangen ein rechtskräftiges Urteil, um ihre Forderungen zwangsvollstrecken zu können. Und sie hoffen nach wie vor, dass noch ein Teil der von Jung-Diefenbach veruntreuten fünf Millionen Euro auftaucht. "Das kann man alles regeln", kontern Brigitta und Andreas Hohnel.

Die Limburger Anwälte wollen sich weiter um eine gütliche Einigung bemühen. Durch das neue OLG-Urteil haben sie in einem wichtigen Punkt bessere Karten als vorher: Jung-Diefenbachs Schwiegersohn B., der mit seiner Frau S. und einem Kind in der Villa in der Prälat-Stein-Straße wohnt, ist komplett aus der Haftung raus. Das Bistum konnte nicht beweisen, dass B. die in bar auf das Gemeinschaftskonto eingezahlten Beträge von Werner Jung-Diefenbach erhalten hat. Die Bankgeschäfte habe die Tochter des Ex-Rentamtsleiters abgewickelt, der nach Auffassung des OLG seine Tochter und nicht seinen Schwiegersohn beschenken wollte. B. habe keinen unmittelbaren aus der Verfügung Jung-Diefenbachs resultierenden rechtlichen Vorteil erlangt, heißt es im Urteil. Objektiv seien die Voraussetzungen für Geldwäsche erfüllt, subjektiv nicht.

Der 11. Zivilsenat hält es für nicht ausreichend, dass B. eine dubiose Herkunft des Geldes angenommen haben könnte: "Er hatte seinen Schwiegervater als vermögenden Menschen kennengelernt und keine Veranlassung, an der legalen Herkunft des großzügig verteilten Geldes zu zweifeln."

Die neue Entwicklung hat für das Bistum einen erheblichen Nachteil: B. gehört die Hälfte der Villa. Und wer will für viel Geld schon ein "halbes" Haus kaufen oder ersteigern?

Geldwäsche?

Gegen das Urteil gegen B. hat das OLG keine Revision zugelassen, doch auch gegen die Nichtzulassung könnte das Bistum klagen. Die Ehefrau und die Tochter des Millionenbetrügers können in Revision gehen. "Das prüfen wir noch", sagten ihre Verteidiger. Auf die schriftliche Urteilsbegründung wartet auch die Limburger Staatsanwaltschaft. "Davon hängt es ab, ob wir die Ermittlungen wegen Geldwäsche wieder aufnehmen oder endgültig zu den Akten legen", sagte Oberstaatsanwalt Joachim Herrchen der NNP.

Durch die von Brigitta und Andreas Hohnel in der Berufung angestrengte Beweisaufnahme kam der Vorwurf der Geldwäsche gegen die Ehefrau Jung-Diefenbachs vom Tisch. Sie kann nun auch Prozesskostenhilfe beantragen. Die Bankmitarbeiter sagten als Zeugen, K. nie gesehen zu haben. Stattdessen ist jetzt ungerechtfertigte Bereicherung die juristische Anspruchsgrundlage. In diesem Fall spielt sowohl Geldwäsche als auch ein mögliches Mitverschulden des Bistums aufgrund fehlerhafter Kontrollen keine Rolle.

Es sei unerheblich, so das OLG, ob K. zumindest Leichtfertigkeit hinsichtlich der Herkunft des Geldes vorzuwerfen sei, wie das Landgericht gemeint hatte. Und ob das Bistum aufgrund grober Fahrlässigkeit (durch die Verletzung der Sorgfaltspflicht) die Untreue begünstigte, wäre allenfalls im Verfahren gegen Werner Jung-Diefenbach zu diskutieren. (hei)

Artikel vom 04. Mai 2012, 20.52 Uhr (letzte Änderung 06. Mai 2012, 04.02 Uhr)

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