vom 06.06.2008

Limburg. Eigentlich wollte er Sozialarbeiter werden, dann Lehrer für Deutsch und Musik. Jürgen Faßbender ist Chorleiter geworden, ein sehr erfolgreicher. Ein bisschen Sozialarbeiter und ein bisschen Deutschlehrer ist er auch. Wenn er gefragt wird, was das Tolle am Chorgesang ist, dann lobt er die Gemeinschaft, die beim Singen entsteht, die Sozialisation im Chor ...

... Und auf die Frage, was einen guten Chorleiter auszeichnet, antwortet er: „Er muss eine Sensibilität für Sprache haben und er muss in der Lage sein, einen Text zu vermitteln.“

Dass er Chorleiter wurde, sei eigentlich ein Zufall gewesen, sagt Jürgen Faßbender. Er singe zwar schon, seit er fünf oder sechs Jahre alt war – „das bot sich so an“, schließlich kommt er aus Lindenholzhausen, dem Sängerdorf, und damals war gerade der Kinderchor der Harmonie gegründet worden –, aber den ersten Chor habe er nur übernommen, weil ein Freund seinen Chor abgeben und er es mal versuchen wollte. Und weil der Chor in Tiefenbach (bei Braunfels) war und damit auf seinem Weg zur Universität Gießen lag. Die Arbeit mit dem Männerchor machte ihm dann solchen Spaß, dass es schnell mehr wurde. „Aber dass es dann irgendwann solche Ausmaße annimmt, war nicht abzusehen.“

Heute ist Jürgen Faßbender 46 Jahre alt, hat zehn Chöre – vom semiprofessionellen Männer-Kammerchor „Cantabile“ und dem Frauen-Kammerchor „carpe diem“ bis zur „Germania“ Freiendiez oder dem „Liederkranz“ Niederzeuzheim. Außerdem arbeitet er in der Literaturkommission des deutschen Musikrates und in diversen Jurys – im Frühjahr zum Beispiel beim deutschen Chorfest, im Sommer bei der Chor-Olympiade in Graz. Längst ist er auch als Fachmann für die deutsche Romantik in aller Welt unterwegs. Besonders stolz ist er auf sein Seminar „Deutsche Romantik“ an der Universität Jerusalem. Zwischendurch singt er selbst – Bass, als Aushilfe in einem Quartett oder Kammerchor bei Tourneen oder Festivals. Jetzt hat er noch einen Job: Er wird den neuen Landesjugendchor Hessen leiten. Der Chor ist gedacht für besonders begabte Sängerinnen und Sänger im Alter von 16 bis 27 Jahren, soll ihnen anspruchsvolle Chorliteratur nahe bringen und sie auf ein späteres Gesangsstudium vorbereiten – so hatte es zumindest Staatsminister Udo Corts bei der Gründung des Chores formuliert.

Er sei ein „Reisender in Sachen Chormusik“, sagt Jürgen Faßbender. Und das sei eigentlich auch das, was er sein wolle: Er mache Musik mit Leuten, die Spaß daran haben und lerne dabei auch noch die Welt kennen. Er habe schon als Schüler klassische Musik gemocht. Er habe zwar auch in einer Band gespielt, spiele noch immer „alle möglichen Instrumente“, zum Beispiel Klavier, Waldhorn, Bass oder Gitarre „für den Hausgebrauch“, aber „die Chormusik ist mir zugefallen, das war so meins“. Vor allem die zeitgenössische Chormusik. Und da wird Jürgen Faßbender zum Missionar: „Der Musikgeschmack der meisten Sänger ist im 19. Jahrhundert steckengeblieben. Als verantwortlicher Chorleiter des 21. Jahrhunderts muss man sich der zeitgenössischen Musik annehmen. Zumindest in kleinen Dosen.“ Auch er liebe die Chormusik der Romantik, aber es sei eine wunderbare Sache, neue Musik zum Klingen zu bringen. Das wichtigste sei allerdings, dass der Chorleiter sich mit der Musik auseinandersetzt, dass er eine genaue Vorstellung davon hat, wie sie klingen soll. Und dass er diesen Anspruch dann auch umsetzten will – mit Geduld und Witz. „Man kann einen Chor nicht trimmen.“ Das gemeinsame Erleben von Musik sei das, was den Chor gut macht. Und der Chorleiter sei das „Medium, durch das der Chorklang zu den Zuhörern gelangt“. Deshalb dürfe er sich emotional auch nicht zurücknehmen. „Denn sonst bleibt der Klang steril.“ Und so hören sich Jürgen Faßbenders Chöre nicht an.

Er liebt seinen Beruf, sagt er. Denn es sei einer, mit dem man anderen Menschen eine Freude machen kann. Erst dem Chor, wenn der sich ein Stück erarbeitet und dann noch einmal – wenn der Chor mit dem Stück auftritt und den Zuhörern Freude macht. Und das ist ja auch irgendwie Sozialarbeit.

Der Landesjugendchor sucht Stimmen: Wer vorsingen will, ist am heutigen Freitag, 6. Juni, im Deutschen Zentrum für Chormusik, Römer 2-4, in Limburg richtig. Los geht es um 13 Uhr, weitere Infos: Telefon:  (0 61 71) 70 49 72.

Von Sabine Rauch

Notenstudium gehört dazu: Jürgen Faßbender ist der erfolgreichste Chorleiter der Region. Und einer der umtriebigsten. Foto: Rauch