Das Ampel-Problem

Limburg. Es ist das größte anstehende private Bauprojekt in Limburg: Der Unternehmer Klaus Rohletter will knapp 50 Millionen Euro investieren, um auf dem ehemaligen Pallottinergelände ein neues Wohn- und Arbeitsgebiet entstehen zu lassen mit Einfamilienhäusern, Büros, betreutem Seniorenwohnen, einem Pflegeheim, einem Ärztehaus und einem Supermarkt. Bis Mitte 2018 soll alles fertig sein. Das Problem ist die Anbindung an die B 8: Während die Fachbehörden eine Ampel wollen, favorisieren viele Stadtverordnete einen Kreisel ...

Bild: Rund 20 Einfamilienhäuser, seniorengerechte Wohnungen, ein Pflegeheim, ein Ärztehaus, Büros und ein Supermarkt: Inklusive der neuen Straßen Kanäle, Versorgungsleitungen und einer Ampelanlage an der B 8 – hier wäre die Zu- und Abfahrt zum Gelände „Pallottiner Klostergärten“ – will Klaus Rohletter knapp 50 Millionen Euro investieren. Umstritten ist aber die geplante Ampelregelung.

Von STEFAN DICKMANN

Wäre die Stadt Limburg ein Mensch und die B 8 mitten durch die Stadt die Hauptschlagader, dann würde sich der behandelnde Arzt von Limburg sicher große Sorgen machen: Der Patient müsste ständig damit rechnen, einen Schlaganfall zu erleiden. Zu massiv ist der Verkehr, der sich täglich durch die Stadt quält.

Deshalb tun sich die Stadtverordneten im Augenblick so schwer damit, wie das geplante Wohn-/Büro-Gebiet „Pallottiner Klostergärten“ am besten angeschlossen werden soll. Bis Mitte 2018 sollen hier Büros, Einfamilienhäuser, betreutes Wohnen, ein Supermarkt und ein Pflegeheim entstehen. Mit den Erschließungsarbeiten für das insgesamt mit 50 Millionen Euro veranschlagte Projekt soll bereits im Herbst begonnen werden.

Das Dilemma der SPD

Nach Rücksprache mit den zuständigen Behörden will der Investor Klaus Rohletter das gesamte Gebiet an die B 8 anschließen, und zwar mit einer Ampelanlage. Davon wäre auch die Kreismusikschule (KMS) betroffen, die mitten im neuen Gebiet liegt. Denn die bisherige Zufahrt von der Wiesbadener Straße (B 417) aus zur KMS würde dicht gemacht, um zu verhindern, dass es Durchgangsverkehr zwischen der B 8 und der B 417 gibt.

Die große Mehrheit der Stadtverordneten hätte mit der neuen Zufahrtsregelung kein Problem, sehr wohl aber mit einer Ampel an dieser Stelle. Noch eine Ampel auf der B 8, die dann auf dem Abschnitt bis Lindenholzhausen vermutlich die Bundesstraße mit der größten Ampeldichte Deutschlands wäre, und aus Sicht der Stadtverordneten den Verkehrsfluss noch mehr beschränken und die Schlaganfallgefahr noch größer machen würde.

Bei einem Termin der zuständigen Ausschüsse auf dem ehemaligen Pallottinergelände machten am Mittwochabend viele Stadtverordnete noch einmal ihre Vorbehalte gegen eine Ampel deutlich und plädierten für einen Kreisverkehr. Der wird aber von Hessen Mobil nach dem vorliegenden Verkehrsgutachten inzwischen abgelehnt: Mehrfach betonte Harald Wilke von Hessen Mobil, ein Anschluss des neuen Wohngebiets an die B 8 funktioniere nur mit einer Ampel.

Vor allem für die SPD ist das ein Dilemma: Peter Rompf (SPD) hatte angekündigt, seine Fraktion werde – wenn eine Ampel kommt – notfalls das ganze Projekt ablehnen.

Dass es tatsächlich so kommt, ist aber sehr unwahrscheinlich: Auch wenn CDU und Grüne ebenfalls einen Kreisel an der Stelle bevorzugen, ist nicht damit zu rechnen, dass das gesamte Projekt abgelehnt wird. Dr. Christopher Dietz (CDU) sagte gestern der NNP, seine Fraktion werde das Bauprojekt nicht wegen der Ampel scheitern lassen. Dafür sei der Bedarf an seniorengerechtem Wohnen und neuen Baugrundstücken zu groß. Und außerdem sei es auch einmal sinnvoll, den Fachleuten zu vertrauen.

Verkehrsplaner Markus Hofmann bestätigte, eine Ampel an dieser Stelle schneide mit der Schulnote befriedigend ab, während ein Kreisverkehr nur auf die Schulnote ausreichend komme. Und weil Hessen Mobil streng auf Noten achtet, soll es deshalb eine Ampel werden. „Die Ampel ist an dieser Stelle die bessere Lösung“, sagte Hofmann. Denn maßgeblich für die Genehmigung eines leistungsfähigen Knotenpunkts sei die Abwicklung des Verkehrs zu Spitzenzeiten, und da sei ein Kreisel die schlechtere Lösung.

Mit dieser fachlichen Einschätzung wollen sich die Stadtverordneten aber nicht zufriedengeben. Kai Diefenbach (CDU) machte den Vorschlag, die Zufahrt zur Kreismusikschule über die Wiesbadener Straße zu belassen und dann einfach einen Durchgangsverkehr in Richtung B 8 durch eine Sperrung im Bereich der KMS zu verhindern.

REWE-Supermarkt kommt

Peter Rompf (SPD) nahm diesen Vorschlag dankbar auf und verband ihn mit der Bitte an den Investor, über das beauftragte Verkehrsplanungsbüro prüfen zu lassen, ob eine solche Verkehrsentlastung für den neuen Knotenpunkt an der B 8 nicht auch bedeuten könnte, auf eine Ampel zu verzichten, um entweder doch einen Kreisverkehr zu bauen oder eine andere Verkehrsregelung ohne Ampel zu finden: Für Linksabbieger Richtung Innenstadt könne dann zum Beispiel ein Einfädelungsstreifen geschaffen werden, um auch in Spitzenzeiten möglichst schnell eine Lücke zu finden.

Sollte das tatsächlich zu einer besseren Schulnote für den Kreisel führen, müsste Investor Rohletter allerdings umplanen, wie er gestern der NNP bestätigte. Denn dann müsste für einen Kreisel mehr Platz geschaffen werden, was zu einem Wegfall einiger Parkplätze für den Supermarkt führen würde.

Weil der künftige Supermarktbetreiber REWE allerdings nicht auf Parkplätze verzichten werde, müsse ein Teil der Straße verlegt werden, was zulasten potenzieller Bauflächen gehe. . . Rohletter schätzt, dass dann zwei Einfamilienhäuser weniger gebaut werden könnten. Insgesamt sollen es knapp 20 werden.

Rohletter erklärte den Ausschussmitgliedern auch, warum eine Schließung der Straße „In den Klostergärten“, die bislang die Zufahrt zur KMS ist, zu keiner deutlichen Verschlechterung für die Musikschüler führen werde: Denn das Verkehrsgutachten habe ergeben, dass Dreiviertel der Fahrten zur KMS über die B 8 liefen und nur ein Viertel über die B 417.

Eine Ampel an der neu geplanten Ein- und Ausfahrt zur B 8 zu bauen, sei im Übrigen nicht seine Idee: „Alle Fachbehörden und die Polizei empfehlen das so“, sagte er.

Auf den Einwand von Dr. Sebastian Schaub (Grüne), wie groß der Unterschied zwischen der Schulnote 3 (Ampel) und 4 (Kreisel) sei, rechnete Verkehrsgutachter Hofmann vor: „Im Mittel verlieren Autofahrer auf dem Stück zwischen Pallottiner-Ampel und dem neuen Knoten 53 Sekunden durch eine Ampel und 73 Sekunden durch einen Kreisverkehr.“

Grüne Ampelphasen

Falls Hessen Mobil auch nach der Prüfung des Verkehrsplanungsbüros (nach Rücksprache mit dem Landkreis und der Polizei) auf den Bau einer neuen Ampel auf der B 8 besteht, können die Stadtverordneten allerdings nichts mehr tun: Denn im Verkehrsquartett sticht Hessen Mobil das Kommunalparlament aus. Dann bliebe nur noch die Möglichkeit, das gesamte Projekt zu kippen. Aber das ist, wie gesagt, sehr unwahrscheinlich.

Um einer weiteren Ampel auf der B 8 den Schrecken zu nehmen, betonte Harald Wilke von Hessen Mobil, die neue Ampel werde an den geplanten Verkehrsleitrechner angeschlossen, und die bestehende Ampel an der Pallottiner-Kirche werde mit der neuen Ampel zusammengeschaltet. Wenn die also auf Grün springt, werde die neue Ampel auch Grün anzeigen. Der Rechner würde zudem dafür sorgen, dass die Ampel auf den jeweiligen Verkehrsbedarf reagiert.

Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.